Digitalfutter.
Es ist ein sehr erfolgreiches Rezept: wer Menschen wirklich beherrschen, wer sie unterwerfen will, der muss ihnen zuerst die Persönlichkeit nehmen. Besonders bewährt hat sich dabei, diesen Menschen den Namen zu verstümmlen oder ganz zu streichen. Menschen werden danach zu austauschbaren Nummern, die sich im Machtsystem beliebig zuweisen und verarbeiten lassen. Diktaturen in der ganzen Welt tun das bis heute. Und so können wir uns freuen, dass in unserer Verfassung immerhin schon seit 1919 (Artikel 109 der Weimarer Verfassung) zu lesen ist, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. In Deutschland hat das zwar länger gedauert als anderswo, es musste erst noch ein ganzer Weltkrieg Verwüstung bringen, aber dann war es endlich soweit (von einem Zwölfjahresrückfall in braunen Terror einmal abgesehen).
Seitdem freilich hat uns dieses einzigartige Grundrecht, materiell als unser „unveränderbares Recht am eigenen Namen“, etwas schläfrig gemacht, und wir haben seinen prinzipiellen Rang aus den Augen verloren. Denn Gefahr droht lange schon aus einer ganz anderen, sich harmlos gebenden Ecke. Es sind die fern auf der Welt arbeitenden Programmierer und Systementwickler, die uns offenbar ohne schlechtes Gewissen zu Digitalfutter vermahlen wollen.
Erinnern wir uns: anfänglich waren die elektronischen Datenverarbeiter nicht in der Lage, Personennamen zu verdauen, die sich mit Umlaut schrieben oder aus mehreren Worten zusammengesetzt waren bei unterschiedlicher Groß- und Kleinschreibung. Also verstümmelten oder verfälschten sie, wie es gerade passte. Mehr als ein freundliches Achselzucken hatten die Verantwortlichen dabei nicht übrig für uns. Es seien Sachzwänge, sagten sie, und wir nahmen das hin.
Inzwischen sind die Dinge zwar weiter gekommen, Umlaute sind endlich zugelassen und bei intelligenter, loyaler Programmierung kann es sogar gelingen, dass aus einer korrekt gespeicherten Adresse auch eine korrekte Anrede im Serienbrief generiert wird - oder zumindest werden könnte. Denn nach wie vor erhalten wir massenhaft Steuerbescheide, Arztabrechnungen, Versicherungspolicen oder Spendenbettelbriefe mit ärgerlichster Verstümmelung unseres Namens. Unsere Schuld: Unser Familiennamen passt nicht ins Herrschaftsschema veralteter Software, und vor allem: wir ducken uns.
Genau das aber weicht die guten Sitten auf, macht lautlos Schule und legitimiert Folgeschlampereien zu (schlechten) Gewohnheiten. Sogar in der FAZ vom 22.12.2006 lesen wir: „Leyen: Geburt nicht künstlich verzögern“. Die hier gemeinte Person heißt mit Familiennamen „von der Leyen“, was aber schert das schon die Texter. Denen geht – aus Sachzwängen natürlich – „Kurz vor Richtig“. Erst also, wenn man simpel Köhler heißt, taucht das in einer FAZ- Schlagzeile (vom gleichen Tag) unbeschädigt auf.
Kurzum, wehren wir uns! Wir sind längst über die Anfangsmarke hinaus. Es lohnt sich. Denn erst der ganze Name macht uns zur Person. Das wussten die Verfassungsväter sehr gut, und das sind wir uns und allen anderen wirklich schuldig.
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