Hias.
Wer etwas Bayerisch kann, wird wissen, was Hias bedeutet. Es ist die Kurzform für Mathias, sowas gibt es überall. In Köln etwa nennt man den Jakob lieber Köbes - und meint damit vor allem den Wirtshauskellner. Der Hias, um den es hier geht, war Schreiner im Achental, im oberbayerischen Chiemgau, ein bißchen langsamer als die anderen, ein bißchen zorniger auch, wenn die Dinge nicht so liefen, wie er das wünschte, ein wenig ein Sonderling halt. Aber als Schreiner war er der beste. Beim Hias, meinte damals sein Meister, zahle eigentlich jeder Betrieb drauf. Aber solche wie ihn müsse es auch geben: pingelig, bockige Selbermacher und kompromißlos, wenn es ums Handwerkliche ging.
Der Hias kam aus kleinbäuerlichen Verhältnissen, hatte vor vierzig Jahren Schreiner gelernt, weil das sein Vater so wollte, und wäre lieber Förster geworden. Denn er liebte den Wald und hielt Zwiesprache mit ihm auf endlosen Wanderungen. Bäume erlebte er als Gefährten, als Sorgenkinder genauso wie als stolze Freunde. Ein unbestechlicher Blick sagte ihm, wann es ihnen am Hang gut ging, wann sie was wurden - später, für den Schreiner. Und so hatte es sich ergeben, daß er mit wissendem Schweigen längst seine Bergahorne, seine Föhren oder auch den seltenen Speierling ausgemacht hatte und wußte, daß er sie eines Tages für bezahlbares Geld kaufen würde vom staatliche Forst. Beim Einschlag war er persönlich dabei, sorgte, daß seine Stämme ausgesondert wurden, überwachte das Aufsägen in der Mühle und das Trockenlagern im Schuppen auf jenem Anwesen, das einmal der ärmliche Hof seiner Eltern gewesen war.
Hier warteten sie dann, seine Schützlinge, von vielen Wintern getrocknet, auf die Hilferufe der Möbelschreiner im ganzen Rund. Denn niemand hatte für besondere Zwecke besseres Holz als dieser Hias. Spiegelahorn etwa in stehender Maserung, unverzichtbar für Schubladen, die sich auch nach vielen Jahren noch hauchend schließen, oder makellose, schlanke Esche, deren Tischplatte später nicht an den Leimstößen stufig eintrocknet.
Ob er ein bißchen stolz darauf war, der Hias? Vielleicht, irgendwo in der Tiefe. Aber nach außen hin war es halt sein schweigendes Einfordern von Ernst und von Liebe beim handwerklichen Möbelbau. Denn da höre der Spaß auf, murrte der Hias gelegentlich - und hielt sich so die andern auf Abstand.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen