Freitag, 26. Januar 2007

Halleluja.


Wer heute von Granden redet, meint natürlich nicht die spanische Adelshierarchie, sondern er denkt an die CSU. Über die liest man wenigstens in diesen Tagen viel, vor allem über ihre "Granden", die sich täglich besprechen. Sie tun es, einer alten Tradition folgend, zuerst einmal hinter verschlossenen Türen und dann später in Einzelauftritten auch öffentlich. Das ist neu in der CSU und gibt zumindest einem der Granden das Stichwort dazu, dass er sich über das Verhalten seiner Mit-Granden herzlich beschwert.

Zugegeben, die Zeiten wollen sich ändern, manchmal wenigstens. Aber noch immer - zumal in Bayern - befinden Granden darüber, ob die Zeit das überhaupt darf und ob sie es sollte. Denn die Dinge haben sich schließlich bewährt in den zurückliegenden Generationen des Laptop- und Lederhosenlandes. Die irritierende Forderung nach einer Trennung der CSU-Ämter Parteivorsitz und Ministerpräsident hat es früher schließlich nie gegeben, geschweige denn die Tatsache selbst. Die großen Gremien der CSU haben stets ebenso folgsam wie begeistert abgesegnet, was die Damen und Herren Granden zuvor im kleinsten Zirkel ausgehandelt hatten. So kam mancher halt nie hoch und kaum jemand von denen, die oben waren, stürzte wirklich tief. Das System zeigte weißblaue Verlässlichkeit.

Und dann jetzt das: Da stellt plötzlich einer der Erfolgsgranden genau das System infrage, indem er selbst Karriere gemacht hat, beruft sich dabei auf Gottvater FJS persönlich und lässt zugleich zwischen sich und dem durch die Granden gerade Entmachteten kein Löschpapier, wie man so sagt.

Derweil allerdings werden die Bayernoberen wie bisher weiter miteinander mauscheln und die Dinge klar zu ziehen versuchen. Da muss man eben durch, werden sie mit frommem Blick nach oben sagen. Basisdruck von unten, das kann nur in Einfluss mindernder Unübersichtlichkeit enden und damit die bayerischen Glaubenssätze gefährden. Schließlich weiß doch jeder, und nicht nur die bayernmächtige katholische Kirche, Religion – auch die bayerische - kann niemals eine Angelegenheit der Willensbildung an der Basis sein.

Halleluja, luja, sog I!

Freitag, 19. Januar 2007

Jagd.

Auch der große Martin Luther war nicht dagegen: Menschen - vor allem aber Frauen – sollte der gerechte Prozess gemacht werden beim begründeten Verdacht auf Teufelsbuhlschaft. Die Beweislage in solchen Fällen ist offenkundig schwierig, und deshalb unterzog man die Beschuldigten z. B. der „Wasserprobe“. Hielten sie sich oben im Wasser, dann waren es Hexen, denn wer konnte damals schon legitim schwimmen, und man ersäufte sie mit gutem Grund; oder sie versanken, dann waren es halt keine Hexen gewesen. So zuletzt 1836 im heutigen Polen. An die 60.000 Menschen sollen, bei Auswertung vorhandener Prozessakten, in den Jahrhunderten als Hexen vernichtet worden sein.

Höhepunkt der Hexenverfolgung war die Zeit des Dreißigjährigen Krieges und der „Kleinen Eiszeit“. Die Welt im alten Deutschland hatte sich verwüstet und der kleine Klimawandel im Westen ließ das Land veröden und tief verarmen. Schuldige mussten her und waren schnell gefunden als Hexen. Rheinbach bei Bonn hat sich da einen besonderen Namen gemacht.

Inzwischen erleben wir den Klimawandel, wenn es denn einer ist, erneut mit ungutem Gefühl, Ohnmacht oder auch vollmundigen Erklärungen. Weit ist es vielleicht nicht mehr, dass wir uns über die Schuldigen ganz sicher sind, und dürfen darauf warten, wer wem zuerst an die Gurgel geht.

Derweil allerdings forscht die Wissenschaft erbarmungslos weiter und bringt zutage, dass sogar unsere geliebten Regenwälder Treibhausgase produzieren, genauso übrigens wie die Viehherden von Argentinien oder sonst wo, die das vielfach schädlichere Methan abgasen. Wir werden den Schwellenländern wie China oder Indien schwerlich das Auto ausreden und schon heute die Uhr danach stellen können, wann zwei Milliarden Menschen dort ihre wohlverdienten Wohlstandsrauchzeichen ablassen. Schließlich wäre da noch Mutter Natur selbst, der es gefiel, in der langen Erdgeschichte schon manche Hitze- und manche Eiszeit zu exekutieren, ganz ohne Kohlendioxid aus Kraftwerken …

So unpraktisch also war die Hexenjagd in der beginnenden Neuzeit vielleicht gar nicht. Sie sorgte wenigsten für klare Verhältnisse und gab den Menschen Frieden.

Dienstag, 16. Januar 2007

Stattlich.

Staatsmedizin! Als Verdikt gegen die Gesundheitsreform saß das. Wenigstens meinte das voll Stolz Herr Dr. Westerwelle von der FDP, und er sprach damit für viele der „doctores“, die ihre Gehälter bei Humanmedizin, Pharma, Versicherungsvorständen, Kureinrichtungen oder auch nur im Personentransport verdienen.

In all’ den Jahren war es schließlich wunderbar gelaufen. Kuren wurden großzügig genehmigt durch die Landesversorgungsämter, Staatsdiener bekamen bei einigem Geschick mehr von Versicherung und Beihilfe erstattet, als sie selbst an Krankenkosten nachgewiesen hatten, das Taxigewerbe für die sogenannten Krankenfahrten blühte, die Zahl der Apotheken in den Stadtvierteln stieg unablässig und die Bewerberschlangen für ein Medizinstudium, das Vater Staat nachhaltig subventioniert, wurden immer länger. Das alles war natürlich keine Staatsmedizin, sondern ein staatlich geregeltes, opulentes Finanzierungswesen, mit denen sich als Betroffener bestens leben ließ.

Korruption in diesem schlecht kontrollierten, ewig wachsendem Erstattungssystem war allgegenwärtig. Viele machten mit, Ärzte, Apotheker, Kureinrichtungen, Pharmaindustrie und nicht zuletzt auch die Patienten selbst. Das ging solange gut, wie Vater Staat auf politischen Befehl immer wieder die Brieftasche öffnete und nicht gedeckte Kosten durch Steuermittel ausglich.

Nun aber schreit dieser Staat hörbar laut, hat lästige Kontrollen zum Ausgabenverhalten aller Beteiligten eingeführt, hat Budgets gedeckelt und hat viele Leistungsbereiche im Gesundheitswesen gekürzt oder gar gestrichen. Das tut natürlich weh, nicht nur den Patienten, sondern auch allen, die früher opulent am System Staatsfinanzierung bei den Gesundheitskosten verdient hatten.

Kurz um, die Stunde von medial geschickt inszeniertem Protest war gekommen, sogar Laienschauspieler werden für Demos eingesetzt. Für Herrn Dr. Westerwelle endlich eine Bühne, sich selbst mal wieder in Erinnerung zu bringen. Ob sich dadurch Mehrheiten verändern in der deutschen Politik? Mag sein. Mit Sicherheit aber nicht der schier grenzenlose, staatliche Nachschussbedarf bei den Gesundheitskosten. Und gegen diesen gezwungenermaßen stattlichen Staat hat auch keiner was, gell?

Sonntag, 7. Januar 2007

Vorspann.

Da haben wir also mit dem Film „Mein Führer - ….“ und Helge Schneider in der Hauptrolle allen Ernstes eine Diskussion darüber, ob man Hitler zum Stoff für eine Film-Satire machen darf. Vorbilder seien immerhin zur Hand, etwa die von Charles Chaplin schon 1940 gedrehte Hitlersatire „Der große Diktator“. Genau das aber ist der Unterschied: 1940 war eine solche Satire noch denkbare Auseinandersetzung mit einem deutschen Wahnsinnigen, dem bis dahin sogar von den Westmächten viel zu viel Stillhalten, Geschäftssinn und Zustimmung zugeflossen war. Ein erlaubtes Mittel also. Und heute?

Hitler steht als Metapher für das organisierbare Grauen schlechthin. Wer immer da noch Menschelndes, Komisches ausmacht, dem möge die Feder sofort vertrocknen, der hat bis zur Selbstverstümmelung seiner Seele alles verdrängt, oder er will einfach nur ein Geschäftchen machen. Das völlig Un-Fassbare, im Denken, im Tun und im Wort, was in Hitlers Namen an Menschen von Menschen gewissenhaft verübt wurde, ist Fluch und Menetekel, keine Stoffsammlung für heitere Regie und Mischpult. Es ist die Summe unendlichen menschlichen Versagens. Eine bittere Wahrheit also, die in keine andere Form passt als die der Demut und der Besorgnis.

Den Kinomachern sei vorgegeben, ihren Film als Vorspann mit Szenen aus der Befreiung des KZ-Buchenwald durch die Alliierten anzustarten. Die Bevölkerung von Weimar musste damals auch gezwungen werden, sich das anzusehen. Und das war gut so.