Freitag, 14. Dezember 2007

Der Krieg ist vorbei.



Im Keller eines Nebenhauses installiert T. geduldig eine Erdgasheizung vom Feinsten. Er kann das, muss keine Bauanleitungen mehr zu Rate ziehen - auch bei modernster Technik nicht. Rohr um Rohr, streng parallel geführt und akkurat abgewinkelt zum eindrucksvollen Gesamtbild, vernetzt das System. Befestigt werden diese Rohre mit Montageschellen auf Schraubspindeln, die zuvor verdübelt werden in Wand und Decke.

Eine etwas betagte Schlagbohrmaschine hilft dabei. Der überlange Bohrer stürzt aber geradezu in die Wand. Denn es sind erst mal rund zehn Zentimeter Rigips und Isoliermatten zu durchstechen, erst danach trifft der Bohrer auf Stein oder Beton, erst jetzt lässt sich also ein Dübel setzen, Übung macht den Meister.

Ohne solche Tricks geht in diesem Hause gar nichts, Rigips allerorten, wer da was aufhängen will, bekommt rasch Probleme und verliert sich in Träumen an die gute alte Zeit, als Wände noch normal hochgemauert und verputzt waren.

„Wissen Sie“, sagt T. achselzuckend, „ich wohne in einer Ausbauwohnung unterm Dach. Und wenn ich Anlauf nehmen würde bei mir im Wohnzimmer, wär’ ich sofort bei meinem Nachbarn auf der Coach. Alles Trockenbau, Sie verstehen! Man gewöhnt sich dran.“

Und L., der furiose Fliesenleger, der nun schon ein halbes Leben Kästen aus Styrodur baut, um sie anschließend bravourös zu fliesen (wenn’s der Kunde will auch in rokkoko-antik), L. sagt zu diesen Schnelltechniken des Ausbaus nur: „Der Krieg ist eben vorbei!“

Schön ist es geworden, das alte Haus mit seiner totalen Rigipsbestückung: Eichenparkett, indirekt angestrahlte Sandsteinwand, Kaminofen, dezent eingelassene Deckenspots. Nehmen wir Platz auf der nagelneuen, weißen Ledercoach und strecken die Beine.

Wir müssen dabei ja nicht unbedingt an Wände klopfen, wie weiland Joachim Ringelnatz, als er vermutlich leicht betrunken dichtete

„Und gab dem Reh einen ganz kleinen Stips. Und da war es aus Gips.“ (Im Park)

Sonntag, 22. Juli 2007

Wolfshunger.


Wir Deutsche geben uns gern polyglott, zumal im Restaurant. Wenn wir dort einen Branzino ordern und der Kellner ermuntert uns dazu noch mit seinem wunderbaren „perfetto“, dann haben wir wieder mal alle schnürenden Sprachgrenzen weit hinter uns gelassen. Wissen wir doch, dass ein Branzino ein Loup de Mer ist, vorzüglich allemal, aber leider etwas teuer. Unser tief versunkenes Schulfranzösisch wispert uns derweil zu, dass wir demnach einen Seewolf verspeisen.... Aber es ist eben viel mehr, Branzino oder Loup de Mer klingt ungleich appetitlicher.

Ein Seewolf freilich ist ein ganz anderer Fisch, auch nicht schlecht und allein deshalb preiswerter, weil er nicht wie der Branzino (Dicentrarchus labrax) nur an der Angel gefangen werden kann, sondern als gewichtiger Beifang im Netz, zum Beispiel auf Heringstörn. Unter dem Namen Kattfisch (Anarrhichas lupus) ist er uns schon vertrauter, auf Speisekarten heißt er allerdings meistens Steinbeisser. Aber es ist ein Seewolf. Sein kräftiges Gebiss mit eher etwas stumpfen Zähnen ist in der Lage, Muscheln zu knacken, Steingut sozusagen, was ihm den drastischen Ehrentitel auch eingebracht hat. Denn es ist kein zoologisch exakter Name. Der echte Steinbeisser ist ein ganz anderer Fisch (Cobitis taenia), steht nirgendwo auf menschlichen Speisekarten und lebt insoweit vermutlich recht sicher.

Zurück zu den Wölfen im Meer. Der Branzino ist ein „Wolfsbarsch“, der Kattfisch ein „Seewolf“ und ein anderer Lieblingsfisch guter Gastronomie sieht zwar gefährlich aus, heißt aber fast immer sehr sanft „Lotte“. Gemeint ist hier der „Seeteufel“ (Lophius piscatorius), der beim Händler eigentlich nur als Schwanzstück landet. Den gruseligen Kopf hat man dort längst entfernt.

Dreimal See-plus-Fisch und zweimal mit Wolf dabei. Zählen Sie ruhig nach. Denn den Branzino nennt man auch Seebarsch bei uns.

In diesem Sinne: Bon appetito!

Montag, 16. Juli 2007

Hallo.



Was haben wir nur für ein Kreuz mit der Anrede unsere Mitmenschen, wenn wir sie nicht kennen! Und wir kennen bekanntlich die meisten nicht! Folglich können wir keine Namen rufen, um den Start zu eben. Und auch dann gäbe es Schwierigkeiten, denn wir müssten vorher genau wissen, ob es der Vorname sein darf oder eine eher förmliche Anrede.

Es gibt ungezählte, alltägliche Situationen, in denen dieses leidige Problem auftaucht. Im Lokal etwa: wie reden wir die meist schlecht bezahlte Kraft an, die uns bedient. Ist es eine Frau, gar im fortgeschrittenen Alter, brüllen wir „Fräulein“, bei Männern sagen wir „Herr Ober“, Frau Oberin geht aus ganz anderen Gründen leider nicht.

Und so führen wir uns in irgendwelchen Grimassierungen auf, winken heftig und sagen dann verlegen ein gedehntes „Aäh“ zum Start, ein grundloses „Entschuldigung“ oder „darf ich mal kurz stören“.

Nichts ist eigentlich lächerlicher. Aber unsere Sprache sieht nun mal keine allgemein gültigen Anredeformen vor. Die alten Lateiner hatten wenigstens noch ihren Vokativ, und die Franzosen ihr Madame oder Monsieur.

In diese Lücke hat sich im Deutschen heutzutage ein Allzweck-Hallo eingenistet. Zieht also jemand an dir vorbei, schlurfend, in Gedanken ganz anderswo und schaut unbeabsichtigt rüber, sagt er mechanisch ein tonloses „Hallo“. Am Telefon ist das ohnedies die feste Eröffnungsformel, ab und zu noch verdrängt durch ein muffiges „Ja bitte“ oder barsches „Ja“.

Kurzum, wir haben da ein echtes Miteinander-Problem. Sprache soll ja bekanntlich Kommunikation herstellen. Im Schwierigsten, in der Anrede sind wir aber immer noch in der Steinzeit. Und so gerät Kommunikation oft zum Monolog, zum Selbstgespräch. Weil uns das Türöffnen zum andern schon sprachlich so ungeheuer schwer fällt.

Wen wundert’s: Während diese Zeilen entstehen, zieht draußen vor der Tür wirklich ein Mensch vorbei, laut palavernd. Er hat mit verrenkter Haltung ein Handy an sein Schief-Ohr geklemmt und spricht sehr laut mit irgend jemand. Er scheint glücklich.

Denn sein Eröffnungs-Hallo hat geklappt. Und wie! Fast könnte man sagen "aber hallo"!

Dienstag, 10. Juli 2007

Spurensuche

Das englische Wort „sound“ hat eine ganze Menge Bedeutungen, gesund zum Beispiel, oder Meerenge (Sund) und Schwimmblase. Vor allem aber heißt es tönen, erschallen, klingen. Musik ist es damit noch nicht. Denn nicht jeder Ton oder Schallschub ist bekanntlich Musik in unseren Ohren, im Gegenteil. Setzt man den Sound jedoch auf eine magneto-optische Spur, macht ihn solchermaßen zu Soundtrack, dann sind wir zumindest sprachlich in der Welt des Wohlklangs angekommen, nämlich bei mehr oder weniger berühmten Begleitmusiken zu Filmen, die sich auf deren Tonspuren eingenistet haben. Allein dafür gibt es inzwischen Oscars.

Die etwas glücklos operierende Musik-CD-Industrie hat folgerichtig auch diese Spur aufgenommen und bietet inzwischen ganze Alben mit berühmten Filmmusiken an. Schließen wir also wohlig die Augen und lassen die Titanic im Stereoklang mal wieder untergehen, gleiten wir mit Dr. Schiwago durch russische Weiten oder mit Mister Spock durchs Universum. Wirklich, das akustische Opening zum Film Clockwork Orange war damals geradezu gänsehaut-gewaltig.

Auch große Komponisten waren sich deshalb keineswegs zu schade, solche Meisterwerke beizusteuern und Spitzenmusiker taten mit in bekannten Filmmusikorchestern. Vom Feinsten musste es sein, zumal in Hollywood. Eine erfolgreiche „Tonspur“ trug den Film auch wirtschaftlich und gab manchem Brot, zumal als Emigrant und fern der Heimat.

Wirklich neu ist das alles nicht, auch Mozart oder Beethoven waren in großem Umfang Auftragsmusiker, unterlegten mit ihren Werken irgendwelche Events, wie man heute sagen würde, sie mussten sich dagegen in der öffentlichen Erwähnung oft mit dem Kleingedruckten begnügen. Und trotzdem, zur „Notenstrecke“ verkam das Geschaffene dann doch nicht in der musikalischen Zuordnung. Stattdessen hat es die prominenten Auftragsanlässe längst überlebt und füllt noch heute Konzertsäle.

Liebe wortgewaltige Musikkritiker! Erlöst also endlich auch die Soundtracks aus ihrer schummrigen Nische einer allzu faulen und ein bisschen törichten Archivsprache, denkt Euch was Besseres aus!

Die Fans würden sich freuen.

Donnerstag, 7. Juni 2007

Weichmacher.

Vielleicht haben Psychologen eine Antwort darauf, was die Linguisten als akribische Wortstatistiker zwar beschäftigt, aber offenbar nicht weiter aufregt. Gemeint ist die eigentümliche Fähigkeit der Menschen, die Bedeutung ihrer Sprache möglichst kantenfrei zu deformieren, wo immer unsere Begriffe noch Stärke und Kontur zeigen. Nein, ganz so klar und eindeutig wollen wir es ja gar nicht, sprachliche Weichmacher müssen her. Wir mogeln lieber ein bisschen oder verniedlichen - uns zuliebe.

Der schwere Einbruchdiebstahl beispielsweise, der unbescholtenen Bürgern täglich das bisweilen sehr teure Auto kostet, ist in unseren Medien eigentlich nur noch unter dem Sportsbegriff „geklaut“ nachzulesen, und auch hier denkt sicher niemand mehr an die hässliche, rohe Klaue, die dreist und gewaltsam packt und stiehlt.

Geil und gierig, das waren sprachlich mal nahe Verwandten, unappetitlich allemal. Auch das haben wir inzwischen glatt gebügelt und singen heute gerne von einer „ super geilen Zick“ (für Nicht-Kölner: Zick gleich Zeit), der Rechner übrigens, auf dem gerade dieser Text entsteht, ist in der Sprache der Jüngeren ein geiles Teil, weil er sehr schick ausschaut.

Den Linguisten nötigt das bestenfalls ein Achselzucken ab, wissen sie doch besser als andere, dass sich Sprache ständig verändert, gestorben und geboren wird sozusagen täglich. Aber der Positionskraft der Sprache hilft das kaum auf. Schaumgebremst und weichgemacht lassen wir sie plätschern, schrecken nicht mehr auf, wenn der Sache nach Unerhörtes zu sagen wäre. Selbstmordattentäter sind eben nur unbegreifliche, ja tragische Solitäre, die ihrem jungen Leben ein Ende setzen mit - sprachlich eher beiläufig - entsetzlichen Folgen für viele Unschuldige. Allem vorweg sind es also Massenkiller, deren Beweggründe sie schwerlich adelt.

Ein sprachliches Sonderrecht haben auch die Lustschläger, die sogar lange Strecken mit ihrem Werkzeug anreisen, um sich blutig mit der Polizei prügeln zu können. Vor allem, wenn Kameras mit dabei sind. Wir nennen sie brav Autonome, und sie nennen sich höhnisch selbst so. Im 19. Jahrhundert galt das noch als „gelehrte Entlehnung“ aus dem Griechischen.

Merke: Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen, so Ludwig Wittgenstein in seinem berühmten Tractatus. Oder simpler ausgedrückt, ein Gedanke, eine Position ist immer nur so eindeutig, wie wir es sprachlich fassen - wollen.

Rausreden gilt nicht.

Freitag, 6. April 2007


Auslass.

Wo vorne etwas rein kommt, muss hinten – irgendwann bestimmt – was wieder raus. Wir können das getrost als eine der Grundwahrheiten des Lebens verbuchen, nix bleibt auf Dauer und wirklich mehr als das, was wir eingezahlt haben, wird auch nicht draus. Im Gegenteil.

In schöner Regelmäßigkeit erleben das alle, die etwas mit Fleiß und Liebe produzieren und trotzdem nicht sicher sein können, oft schon nach kurzer Zeit ihr Werk verramschen zu müssen. Kosten hin, Kosten her, das Zeug muss raus. Auf die wundersamen Wirkungen dieses Marktgesetzes muss man als Kunde also nur warten können. Das nächste Schnäppchen kommt bestimmt.

Warum also nicht gleich Schnäppchen produzieren, denkt sich folgerichtig mancher Hersteller und verkauft seine Ware direkt ab Fabrik, im Outletstore, wie es dann heißt, im Auslassladen also. Die Kunden werden sich drängen und wohlig schaudernd die Preisabschläge erleben zu einer Warenwelt, die es tatsächlich anderswo gar nicht mehr gibt.

Ganze Städte sind so zu Outlet-Adressen geworden, eine Sprung über die nachbarschaftliche Landesgrenze öffnet sogar sonntags die Outlet-Stores der Markenartikler. Kurzum, eine schöne Welt, die freilich unsere Schränke zum Platzen bringen wird. Siehe Satz eins dieser tiefsinnigen Betrachtungen.

Abzuwarten bleibt im Übrigen, wie die Sache mit dem „Kunst-Outlet“ ausgehen wird, die sich jetzt in Köln mit einer teuren Plakataktion eingerichtet hat. Kunst zum Schnäppchenpreis - handgemalte Originale schon ab 29,-EUR! Also nix wie hin. Und schlimmsten Falls schieben wir unsere Erwerbungen später einfach durchs Ebay-Portal , ins Outlet en gros.

Mittwoch, 28. Februar 2007


Ein bisschen Nostalgie: Mein Motorrad ARIEL RH 500.

Mein aktiver Anteil an der erzählenswerten Geschichte dieses Motorrades spannt sich zwar nur wenige Jahre, nämlich von etwa 1965 bis 1973, aber ich kann in diesem Bericht zurückgreifen auf Erzählungen meines Nachbarn, des Herrn Gabriel aus Marquartstein, von dem diese Maschine stammt. Eines Tages nämlich stand dieser Nachbar bei mir am Zaun und sah freundlich zu, wie ich an meinem Motorrad herumputzte, einer schon etwas in die Jahre gekommenen BMW R 25/2. Das war ihm offenbar Anlaß, sich zu „outen“, daß er selbst auch eine „Maschin“ habe, wenngleich seit längerem abgemeldet. Diese Maschine stand in einem Holzschuppen, sorgfältig unter ein Tuch gepackt. Und als er dieses Tuch wegzog, kam die ARIEL Red Hunter ( 500 ccm, 1 Zylinder, separates Getriebe) zum Vorschein, bestens gehalten und ab und zu mal angelassen, damit sie betriebsfähig blieb. Auch diesmal sprang sie schnell an, denn sie hatte Magnetzündung und brauchte keine geladene Batterie. Der Sound dieser alten Einzylindermaschine war hinreißend, aber noch schöner eigentlich ihr Outfit mit dem verchromten Tank, mit dem im roten Feld eingelassenen Tacho samt Tageskilometerzähler, der Steckleuchte aus Messing und dem riesengroßen Scheinwerfer.

Mein Nachbar hatte dieses Motorrad in jungen Jahren, nämlich 1938, fast neu beim „Haberl“ in München gekauft. Er war damals gerade selbstverdienender Schreinergeselle geworden und stieg mit dieser Erwerbung zum kleinen König von Marquartstein im Chiemgau auf, wo er schon damals lebte, wie ich später auch. Keine der Dorfschönen in jenen Jahren wird es wohl ausgeschlagen haben, mit ihm eine Runde zu drehen und manche davon - inzwischen gestandene Ehefrauen in Marquartsteiner Familien - würden sich daran mit einem Lächeln erinnern.

Als der Krieg kam, gelang es dem Schreiner Gabriel, sein Motorrad - in alle Einzelteile zerlegt - verschwinden zu lassen, um es den Sequestern zu entziehen. Die Reifen beispielsweise hatte er zwischen den doppelt vernagelten Brettern einer Schuppenwand versteckt. Nach dem Krieg war dieses wunderbare Motorrad dann noch mehr wert als vorher! Er baute es wieder zusammen und fuhr es bis zum Anfang der 60er Jahre, nicht nur zur Arbeit, sondern gelegentlich auch weitere Touren . Besonders gern erinnerte er sich an die Katschberg-Rennen jener Jahre, an denen er teilnahm, und auch daran, daß man ihm beste Grundstücke zum Tausch angeboten hatte, erhebliche Vermögenswerte heute. Er blieb standhaft und doch kam die Zeit, in der er langsam Abschied nehmen mußte von der Motorradlerei. So meldete er die Maschine schließlich ab, bockte sie bei sich im Schuppen auf und pflegte sie.

Mehr als eine Ehre für mich war es deshalb, daß ich diese Maschine für ganze 400,-- DM
( damals schmerzlich viel Geld, aber dennoch kein wirklicher Preis für dieses Prachtstück ) übernehmen konnte, sozusagen von Haus zu Haus. Ich meldete sie sofort wieder an und fuhr sie bis etwa 1969. Das mit dem Fahren allerdings erwies sich als überraschungsreiche Mechaniker-Aufgabe, denn die Maschine hatte immer irgendwelche Problemchen. Die freilich übten und sie brachten Kontakt zu Leuten, die früher einmal so eine Maschine gefahren hatten oder sich sonst damit auskannten.

Dabei spielte eine gewisse Rolle, daß die RH 500 einen in der Motorradgeschichte recht prominenten, größeren Bruder hatte, nämlich die ARIEL SQUARE FOUR, ein Monstrum für damalige Verhältnisse mit vier quadratisch angeordneten Zylindern, luftgekühlt. Das machte damals viel Eindruck, die Square Four erwies sich aber als nicht sehr „standfest“, weil sie ständig thermische Probleme bei den hinteren Zylindern hatte. Sie konnten letztlich nicht gelöst werden, dennoch blieb die Maschine in aller Munde. So kam es, daß ich beim Namen ARIEL überraschende Hilfsbereitschaft auftat, wenn ich irgend etwas brauchte, was es schon lange nicht mehr gab, z.B. bestimmte Stahlblech-Halterungen oder auch aus Rohmaterial maßgestanzte Zylinderkopfdichtungen.

Das Hauptproblem dieser Maschine waren indessen die Vibrationen, die damals noch nicht beherrscht wurden. Starke Schwingungen lösten auf Dauer so ziemlich alle Verschraubungen, so daß mir während der Fahrt auch schon mal der Vergaser (!) abgefallen ist. Häufig Probleme gab es auch mit der Trockenkupplung, die korkbeschichtet war, und mit dem Kolben, der in dieser Zeit erneuert werden mußte, denn er hatte deutliche Freßspuren. Dazu wurde der Zylinder in einer Münchner Firma neu gehohnt, und es wurde ein neuer Kolben eingepaßt, den ich bei einem Spezialisten in Schottland beschaffen konnte. Dies wiederum brachte mir die Mitgliedschaft ein in einem britischen Sammlerclub für historische Motorräder , dem „Collectors’ Club for Historical Motorcycles“. Er gab in gewissen Abständen einen Clubbrief heraus, der allerlei Ersatzteillisten und Restaurierungstricks verbreitete.

Das Fahrvergnügen mit dieser Maschine war von besonderer Art. Als englische Konstruktion wurde sie rechts geschaltet ( Fußschaltung ) und hatte so ihre Allüren. Sie besaß beispielsweise noch eine Hand-Verstellung des Zündzeitpunktes, was beim Antreten wichtig war und auch bei bestimmten Lastfahrten am Berg. Die Federung über eine Webb-Gabel vorne war notwendigerweise spartanisch und nicht sehr spurgenau, zumal die Reibungsstoßdämpfer die Schwingung des Federweges zusätzlich minderten. Hinten war die Maschine überhaupt nicht gefedert, so daß bei schlechterer Wegstrecke nicht wenig davon auf den Rücken des Fahrers durchschlug. Aber gerade im unteren Drehzahlbereich fuhr sie kraftvoll und zügig, höhere Drehzahlen mochte sie als Langhuber ohnedies nicht. Ich habe die Maschine fast nur solo gefahren, die hochgezogenen Auspufftöpfe ließen kaum eine andere Möglichkeit . Denn die Gefahr für Beifahrer, sich zu verbrennen, war absehbar groß.

1969 bekam die ARIEL eine recht moderne Nachfolgerin, nämlich eine BMW R 60/2, damals in der motorradarmen Zeit ein ausgesprochenes Spitzenmodell. Die ARIEL wurde also wieder in den Ruhestand versetzt und sollte dafür später einmal im häuslichen Reich ihren würdigen Platz bekommen. Das freilich wollte sich dann doch nicht einstellen. Ich wechselte schon 1970/71 beruflich nach Bonn. Die Maschine blieb in Marquartstein eingestellt, derweil verschlechterten sich die Standbedingungen dort erheblich, sie mußte schließlich sogar draußen überwintern, und das tat ihr nicht gut.

So kam es 1973 zur Schenkung an das Deutsche Museum. Etwa 12 Jahre später konnte die ARIEL in der neugestalteten Kraftfahrzeugabteilung ausgestellt werden. Das Deutsche Museum hatte sie inzwischen schön hergerichtet und ihr sogar neue, originale Auspufftöpfe verpaßt, die in meiner Zeit leider durchgerostet und durch fremde ersetzt worden waren, um eine Wiederzulassung überhaupt zu ermöglichen.

Es freut mich deshalb heute wie damals, daß die ARIEL RH 500 nicht namenlos irgendwo verkommen und schließlich auf dem Schrott gelandet ist, sondern ihren würdigen Platz im Deutschen Museum in München gefunden hat. Sie ist in jeder Hinsicht ein Klassiker, in technischer Konzeption und auch im Design. Sie hat einen jungen und sehr tüchtigen Schreinergesellen aus Marquartstein zum kleinen Star gemacht und später einem Motorrad- und Handwerksfreund, der in der Hauptsache allerdings in München Volkswirtschaft zu studieren hatte, die Ehre angetan, sie noch ein wenig fahren zu dürfen. Und wenn sie mochte, dann hat sie auch recht brav größere Touren durchgestanden, z.B. über die Deutsche Alpenstraße bis hin zum Watzmann und sogar den Glocknerpaß hinauf.

(aufgeschrieben vor ziemlich genau zehn Jahren in Köln, aber ein bisschen Nostalgie muss halt auch sein)

Donnerstag, 8. Februar 2007

Stärke.

Des Menschen bester Freund ist bekanntlich nicht der Mensch, es ist ein Vierbeiner. So gesehen könnte sich der Mensch herzlich freuen, wenn er auf den Hund kommt. Das aber wäre leider kein wirklich erstrebenswerter Zustand, unsere Sprache will es so.

Überhaupt, den Hunden als der Menschen beste Freunde bürden wir, sprachlich betrachtet, viel auf. Wir sprechen von Hundewetter, beschimpfen jemand als Hundesohn oder leiden wie ein Hund. Ist es brüllend heiß, dann sprechen wir von Hundstagen, sinkt das Thermometer um sagen wir 40°, dann wäre das wahre Hundskälte.

Seltsam ergangen ist es auch dem Schweinehund. In alten Zeiten hieß er noch Sauhund (nicht zu verwechseln mit dem zweibeinigen heute) und wurde bei der Wildschweinjagd eingesetzt mit all seinen Tugenden, die ihn auszeichneten: Ausdauer, Kampfesmut und erbarmungsloses Hetzen. Dieser Schweinehund meliorierte dann aber, wie die Linguisten es so schön analysieren (genauso übrigens auch beim Kultbegriff geil). Denn als innerer Schweinehund steht er heute für das glatte Gegenteil, für Entscheidungsschwäche, Motivationsarmut und auch die Bereitschaft zum kläglichen Rückfall.

So gesehen wäre der innere Schweinehund nur bei großzügiger Auslegung ein echter Menschenfreund. Immerhin erklärt er manchen Umsatzpunkt im Einzelhandel, wann immer Menschen schwach geworden sind. Sie alle halten es mit dem großen Moralisten und Spötter Francois de La Rochefoucauld (1613 – 1680), dem die Selbsterkenntnis zugeschrieben wird: Wenn wir unsere Leidenschaften unterdrücken, dann geschieht dies nicht aus Stärke, sondern aus Schwäche …. .

Der dicke Hund in uns wird dazu verständnisvoll wedeln.

Donnerstag, 1. Februar 2007

Limbisch.


Zwei Prozent der Körpermasse macht es aus, verbraucht aber zwanzig Prozent unserer täglich aufgenommenen Energie. Die Rede ist von unserem Menschendurchschnittsgehirn, bei Lesern dieses Textes schaut’s vielleicht etwas günstiger aus. Wie auch immer.

Hirnforscher haben das offen gelegt, kurzum, sie haben ihr Hirn eingesetzt, um dessen soziobiologische Prozesse herauszufinden. Und was ist das Ergebnis? Unser Hirn ist lernfähig, aber nicht belehrbar. Ahnten wir es doch, zumal uns das bei unseren Mitmenschen gelegentlich schon aufgefallen war. Schuld ist das Limbische System.

Über den Lernerfolg entscheiden danach nicht die Intentionen des Be-Lehrenden, sondern gewisse biologische Strukturen in unserem Hirn mit dem oben genannten schönen Namen. Die legen leider vorher(!) schon fest, ob sich hirnenergetische Anstrengungen überhaupt lohnen, und sind bewusstseinsmäßig gar nicht zugänglich. Schlecht also für Lehrer und Schüler gleichermaßen, wenn sich da was sperrt. Und wenn das Limbische nicht mitspielt, bekommt man z. B. Schwierigkeiten mit Mathe, Führerscheinprüfung oder Mittelhochdeutsch.

Wo genau diese Schwierigkeiten abgesteckt sind, werden wir bei uns selbst allerdings erst am Ende unserer Tage einigermaßen erprobt haben. Denn vor den Erfolg haben die Götter bekanntlich den Fleiß gesetzt. Üben, üben, üben heißt es also und dabei vielleicht die wunderbare Entdeckung machen, dass Musik, Metallhandwerk oder Geschichte eine großartige Spazierlandschaft sind.

Manches freilich bleibt rätselhaft von Anfang an: Etwa ein aktuelles Plakat im Kölner Stadtgebiet, das ein zerknautschtes Auto unter der Headline „hirnverbrannte Pissfletsche“ zeigt. Absender ist eine geheimnisvolle Aha.de, die wir offenbar anklicken sollen.

Aha, denken wir also folgsam, und werden es nicht tun. Unser limbisches System hat erbarmungslos den Daumen gesenkt.

(Nachbemerkung: die Anregung zu diesem Text kam von einem sehr lesenswerten Beitrag zur Soziobiologie in der FAZ vom 31.1.07, dessen Autor, Eckart Voland, daraus manche Formulierung - ohne gefragt zu sein - beigesteuert hat)

Freitag, 26. Januar 2007

Halleluja.


Wer heute von Granden redet, meint natürlich nicht die spanische Adelshierarchie, sondern er denkt an die CSU. Über die liest man wenigstens in diesen Tagen viel, vor allem über ihre "Granden", die sich täglich besprechen. Sie tun es, einer alten Tradition folgend, zuerst einmal hinter verschlossenen Türen und dann später in Einzelauftritten auch öffentlich. Das ist neu in der CSU und gibt zumindest einem der Granden das Stichwort dazu, dass er sich über das Verhalten seiner Mit-Granden herzlich beschwert.

Zugegeben, die Zeiten wollen sich ändern, manchmal wenigstens. Aber noch immer - zumal in Bayern - befinden Granden darüber, ob die Zeit das überhaupt darf und ob sie es sollte. Denn die Dinge haben sich schließlich bewährt in den zurückliegenden Generationen des Laptop- und Lederhosenlandes. Die irritierende Forderung nach einer Trennung der CSU-Ämter Parteivorsitz und Ministerpräsident hat es früher schließlich nie gegeben, geschweige denn die Tatsache selbst. Die großen Gremien der CSU haben stets ebenso folgsam wie begeistert abgesegnet, was die Damen und Herren Granden zuvor im kleinsten Zirkel ausgehandelt hatten. So kam mancher halt nie hoch und kaum jemand von denen, die oben waren, stürzte wirklich tief. Das System zeigte weißblaue Verlässlichkeit.

Und dann jetzt das: Da stellt plötzlich einer der Erfolgsgranden genau das System infrage, indem er selbst Karriere gemacht hat, beruft sich dabei auf Gottvater FJS persönlich und lässt zugleich zwischen sich und dem durch die Granden gerade Entmachteten kein Löschpapier, wie man so sagt.

Derweil allerdings werden die Bayernoberen wie bisher weiter miteinander mauscheln und die Dinge klar zu ziehen versuchen. Da muss man eben durch, werden sie mit frommem Blick nach oben sagen. Basisdruck von unten, das kann nur in Einfluss mindernder Unübersichtlichkeit enden und damit die bayerischen Glaubenssätze gefährden. Schließlich weiß doch jeder, und nicht nur die bayernmächtige katholische Kirche, Religion – auch die bayerische - kann niemals eine Angelegenheit der Willensbildung an der Basis sein.

Halleluja, luja, sog I!

Freitag, 19. Januar 2007

Jagd.

Auch der große Martin Luther war nicht dagegen: Menschen - vor allem aber Frauen – sollte der gerechte Prozess gemacht werden beim begründeten Verdacht auf Teufelsbuhlschaft. Die Beweislage in solchen Fällen ist offenkundig schwierig, und deshalb unterzog man die Beschuldigten z. B. der „Wasserprobe“. Hielten sie sich oben im Wasser, dann waren es Hexen, denn wer konnte damals schon legitim schwimmen, und man ersäufte sie mit gutem Grund; oder sie versanken, dann waren es halt keine Hexen gewesen. So zuletzt 1836 im heutigen Polen. An die 60.000 Menschen sollen, bei Auswertung vorhandener Prozessakten, in den Jahrhunderten als Hexen vernichtet worden sein.

Höhepunkt der Hexenverfolgung war die Zeit des Dreißigjährigen Krieges und der „Kleinen Eiszeit“. Die Welt im alten Deutschland hatte sich verwüstet und der kleine Klimawandel im Westen ließ das Land veröden und tief verarmen. Schuldige mussten her und waren schnell gefunden als Hexen. Rheinbach bei Bonn hat sich da einen besonderen Namen gemacht.

Inzwischen erleben wir den Klimawandel, wenn es denn einer ist, erneut mit ungutem Gefühl, Ohnmacht oder auch vollmundigen Erklärungen. Weit ist es vielleicht nicht mehr, dass wir uns über die Schuldigen ganz sicher sind, und dürfen darauf warten, wer wem zuerst an die Gurgel geht.

Derweil allerdings forscht die Wissenschaft erbarmungslos weiter und bringt zutage, dass sogar unsere geliebten Regenwälder Treibhausgase produzieren, genauso übrigens wie die Viehherden von Argentinien oder sonst wo, die das vielfach schädlichere Methan abgasen. Wir werden den Schwellenländern wie China oder Indien schwerlich das Auto ausreden und schon heute die Uhr danach stellen können, wann zwei Milliarden Menschen dort ihre wohlverdienten Wohlstandsrauchzeichen ablassen. Schließlich wäre da noch Mutter Natur selbst, der es gefiel, in der langen Erdgeschichte schon manche Hitze- und manche Eiszeit zu exekutieren, ganz ohne Kohlendioxid aus Kraftwerken …

So unpraktisch also war die Hexenjagd in der beginnenden Neuzeit vielleicht gar nicht. Sie sorgte wenigsten für klare Verhältnisse und gab den Menschen Frieden.

Dienstag, 16. Januar 2007

Stattlich.

Staatsmedizin! Als Verdikt gegen die Gesundheitsreform saß das. Wenigstens meinte das voll Stolz Herr Dr. Westerwelle von der FDP, und er sprach damit für viele der „doctores“, die ihre Gehälter bei Humanmedizin, Pharma, Versicherungsvorständen, Kureinrichtungen oder auch nur im Personentransport verdienen.

In all’ den Jahren war es schließlich wunderbar gelaufen. Kuren wurden großzügig genehmigt durch die Landesversorgungsämter, Staatsdiener bekamen bei einigem Geschick mehr von Versicherung und Beihilfe erstattet, als sie selbst an Krankenkosten nachgewiesen hatten, das Taxigewerbe für die sogenannten Krankenfahrten blühte, die Zahl der Apotheken in den Stadtvierteln stieg unablässig und die Bewerberschlangen für ein Medizinstudium, das Vater Staat nachhaltig subventioniert, wurden immer länger. Das alles war natürlich keine Staatsmedizin, sondern ein staatlich geregeltes, opulentes Finanzierungswesen, mit denen sich als Betroffener bestens leben ließ.

Korruption in diesem schlecht kontrollierten, ewig wachsendem Erstattungssystem war allgegenwärtig. Viele machten mit, Ärzte, Apotheker, Kureinrichtungen, Pharmaindustrie und nicht zuletzt auch die Patienten selbst. Das ging solange gut, wie Vater Staat auf politischen Befehl immer wieder die Brieftasche öffnete und nicht gedeckte Kosten durch Steuermittel ausglich.

Nun aber schreit dieser Staat hörbar laut, hat lästige Kontrollen zum Ausgabenverhalten aller Beteiligten eingeführt, hat Budgets gedeckelt und hat viele Leistungsbereiche im Gesundheitswesen gekürzt oder gar gestrichen. Das tut natürlich weh, nicht nur den Patienten, sondern auch allen, die früher opulent am System Staatsfinanzierung bei den Gesundheitskosten verdient hatten.

Kurz um, die Stunde von medial geschickt inszeniertem Protest war gekommen, sogar Laienschauspieler werden für Demos eingesetzt. Für Herrn Dr. Westerwelle endlich eine Bühne, sich selbst mal wieder in Erinnerung zu bringen. Ob sich dadurch Mehrheiten verändern in der deutschen Politik? Mag sein. Mit Sicherheit aber nicht der schier grenzenlose, staatliche Nachschussbedarf bei den Gesundheitskosten. Und gegen diesen gezwungenermaßen stattlichen Staat hat auch keiner was, gell?

Sonntag, 7. Januar 2007

Vorspann.

Da haben wir also mit dem Film „Mein Führer - ….“ und Helge Schneider in der Hauptrolle allen Ernstes eine Diskussion darüber, ob man Hitler zum Stoff für eine Film-Satire machen darf. Vorbilder seien immerhin zur Hand, etwa die von Charles Chaplin schon 1940 gedrehte Hitlersatire „Der große Diktator“. Genau das aber ist der Unterschied: 1940 war eine solche Satire noch denkbare Auseinandersetzung mit einem deutschen Wahnsinnigen, dem bis dahin sogar von den Westmächten viel zu viel Stillhalten, Geschäftssinn und Zustimmung zugeflossen war. Ein erlaubtes Mittel also. Und heute?

Hitler steht als Metapher für das organisierbare Grauen schlechthin. Wer immer da noch Menschelndes, Komisches ausmacht, dem möge die Feder sofort vertrocknen, der hat bis zur Selbstverstümmelung seiner Seele alles verdrängt, oder er will einfach nur ein Geschäftchen machen. Das völlig Un-Fassbare, im Denken, im Tun und im Wort, was in Hitlers Namen an Menschen von Menschen gewissenhaft verübt wurde, ist Fluch und Menetekel, keine Stoffsammlung für heitere Regie und Mischpult. Es ist die Summe unendlichen menschlichen Versagens. Eine bittere Wahrheit also, die in keine andere Form passt als die der Demut und der Besorgnis.

Den Kinomachern sei vorgegeben, ihren Film als Vorspann mit Szenen aus der Befreiung des KZ-Buchenwald durch die Alliierten anzustarten. Die Bevölkerung von Weimar musste damals auch gezwungen werden, sich das anzusehen. Und das war gut so.