Sonntag, 22. Juli 2007

Wolfshunger.


Wir Deutsche geben uns gern polyglott, zumal im Restaurant. Wenn wir dort einen Branzino ordern und der Kellner ermuntert uns dazu noch mit seinem wunderbaren „perfetto“, dann haben wir wieder mal alle schnürenden Sprachgrenzen weit hinter uns gelassen. Wissen wir doch, dass ein Branzino ein Loup de Mer ist, vorzüglich allemal, aber leider etwas teuer. Unser tief versunkenes Schulfranzösisch wispert uns derweil zu, dass wir demnach einen Seewolf verspeisen.... Aber es ist eben viel mehr, Branzino oder Loup de Mer klingt ungleich appetitlicher.

Ein Seewolf freilich ist ein ganz anderer Fisch, auch nicht schlecht und allein deshalb preiswerter, weil er nicht wie der Branzino (Dicentrarchus labrax) nur an der Angel gefangen werden kann, sondern als gewichtiger Beifang im Netz, zum Beispiel auf Heringstörn. Unter dem Namen Kattfisch (Anarrhichas lupus) ist er uns schon vertrauter, auf Speisekarten heißt er allerdings meistens Steinbeisser. Aber es ist ein Seewolf. Sein kräftiges Gebiss mit eher etwas stumpfen Zähnen ist in der Lage, Muscheln zu knacken, Steingut sozusagen, was ihm den drastischen Ehrentitel auch eingebracht hat. Denn es ist kein zoologisch exakter Name. Der echte Steinbeisser ist ein ganz anderer Fisch (Cobitis taenia), steht nirgendwo auf menschlichen Speisekarten und lebt insoweit vermutlich recht sicher.

Zurück zu den Wölfen im Meer. Der Branzino ist ein „Wolfsbarsch“, der Kattfisch ein „Seewolf“ und ein anderer Lieblingsfisch guter Gastronomie sieht zwar gefährlich aus, heißt aber fast immer sehr sanft „Lotte“. Gemeint ist hier der „Seeteufel“ (Lophius piscatorius), der beim Händler eigentlich nur als Schwanzstück landet. Den gruseligen Kopf hat man dort längst entfernt.

Dreimal See-plus-Fisch und zweimal mit Wolf dabei. Zählen Sie ruhig nach. Denn den Branzino nennt man auch Seebarsch bei uns.

In diesem Sinne: Bon appetito!

Montag, 16. Juli 2007

Hallo.



Was haben wir nur für ein Kreuz mit der Anrede unsere Mitmenschen, wenn wir sie nicht kennen! Und wir kennen bekanntlich die meisten nicht! Folglich können wir keine Namen rufen, um den Start zu eben. Und auch dann gäbe es Schwierigkeiten, denn wir müssten vorher genau wissen, ob es der Vorname sein darf oder eine eher förmliche Anrede.

Es gibt ungezählte, alltägliche Situationen, in denen dieses leidige Problem auftaucht. Im Lokal etwa: wie reden wir die meist schlecht bezahlte Kraft an, die uns bedient. Ist es eine Frau, gar im fortgeschrittenen Alter, brüllen wir „Fräulein“, bei Männern sagen wir „Herr Ober“, Frau Oberin geht aus ganz anderen Gründen leider nicht.

Und so führen wir uns in irgendwelchen Grimassierungen auf, winken heftig und sagen dann verlegen ein gedehntes „Aäh“ zum Start, ein grundloses „Entschuldigung“ oder „darf ich mal kurz stören“.

Nichts ist eigentlich lächerlicher. Aber unsere Sprache sieht nun mal keine allgemein gültigen Anredeformen vor. Die alten Lateiner hatten wenigstens noch ihren Vokativ, und die Franzosen ihr Madame oder Monsieur.

In diese Lücke hat sich im Deutschen heutzutage ein Allzweck-Hallo eingenistet. Zieht also jemand an dir vorbei, schlurfend, in Gedanken ganz anderswo und schaut unbeabsichtigt rüber, sagt er mechanisch ein tonloses „Hallo“. Am Telefon ist das ohnedies die feste Eröffnungsformel, ab und zu noch verdrängt durch ein muffiges „Ja bitte“ oder barsches „Ja“.

Kurzum, wir haben da ein echtes Miteinander-Problem. Sprache soll ja bekanntlich Kommunikation herstellen. Im Schwierigsten, in der Anrede sind wir aber immer noch in der Steinzeit. Und so gerät Kommunikation oft zum Monolog, zum Selbstgespräch. Weil uns das Türöffnen zum andern schon sprachlich so ungeheuer schwer fällt.

Wen wundert’s: Während diese Zeilen entstehen, zieht draußen vor der Tür wirklich ein Mensch vorbei, laut palavernd. Er hat mit verrenkter Haltung ein Handy an sein Schief-Ohr geklemmt und spricht sehr laut mit irgend jemand. Er scheint glücklich.

Denn sein Eröffnungs-Hallo hat geklappt. Und wie! Fast könnte man sagen "aber hallo"!

Dienstag, 10. Juli 2007

Spurensuche

Das englische Wort „sound“ hat eine ganze Menge Bedeutungen, gesund zum Beispiel, oder Meerenge (Sund) und Schwimmblase. Vor allem aber heißt es tönen, erschallen, klingen. Musik ist es damit noch nicht. Denn nicht jeder Ton oder Schallschub ist bekanntlich Musik in unseren Ohren, im Gegenteil. Setzt man den Sound jedoch auf eine magneto-optische Spur, macht ihn solchermaßen zu Soundtrack, dann sind wir zumindest sprachlich in der Welt des Wohlklangs angekommen, nämlich bei mehr oder weniger berühmten Begleitmusiken zu Filmen, die sich auf deren Tonspuren eingenistet haben. Allein dafür gibt es inzwischen Oscars.

Die etwas glücklos operierende Musik-CD-Industrie hat folgerichtig auch diese Spur aufgenommen und bietet inzwischen ganze Alben mit berühmten Filmmusiken an. Schließen wir also wohlig die Augen und lassen die Titanic im Stereoklang mal wieder untergehen, gleiten wir mit Dr. Schiwago durch russische Weiten oder mit Mister Spock durchs Universum. Wirklich, das akustische Opening zum Film Clockwork Orange war damals geradezu gänsehaut-gewaltig.

Auch große Komponisten waren sich deshalb keineswegs zu schade, solche Meisterwerke beizusteuern und Spitzenmusiker taten mit in bekannten Filmmusikorchestern. Vom Feinsten musste es sein, zumal in Hollywood. Eine erfolgreiche „Tonspur“ trug den Film auch wirtschaftlich und gab manchem Brot, zumal als Emigrant und fern der Heimat.

Wirklich neu ist das alles nicht, auch Mozart oder Beethoven waren in großem Umfang Auftragsmusiker, unterlegten mit ihren Werken irgendwelche Events, wie man heute sagen würde, sie mussten sich dagegen in der öffentlichen Erwähnung oft mit dem Kleingedruckten begnügen. Und trotzdem, zur „Notenstrecke“ verkam das Geschaffene dann doch nicht in der musikalischen Zuordnung. Stattdessen hat es die prominenten Auftragsanlässe längst überlebt und füllt noch heute Konzertsäle.

Liebe wortgewaltige Musikkritiker! Erlöst also endlich auch die Soundtracks aus ihrer schummrigen Nische einer allzu faulen und ein bisschen törichten Archivsprache, denkt Euch was Besseres aus!

Die Fans würden sich freuen.