Mittwoch, 28. Februar 2007


Ein bisschen Nostalgie: Mein Motorrad ARIEL RH 500.

Mein aktiver Anteil an der erzählenswerten Geschichte dieses Motorrades spannt sich zwar nur wenige Jahre, nämlich von etwa 1965 bis 1973, aber ich kann in diesem Bericht zurückgreifen auf Erzählungen meines Nachbarn, des Herrn Gabriel aus Marquartstein, von dem diese Maschine stammt. Eines Tages nämlich stand dieser Nachbar bei mir am Zaun und sah freundlich zu, wie ich an meinem Motorrad herumputzte, einer schon etwas in die Jahre gekommenen BMW R 25/2. Das war ihm offenbar Anlaß, sich zu „outen“, daß er selbst auch eine „Maschin“ habe, wenngleich seit längerem abgemeldet. Diese Maschine stand in einem Holzschuppen, sorgfältig unter ein Tuch gepackt. Und als er dieses Tuch wegzog, kam die ARIEL Red Hunter ( 500 ccm, 1 Zylinder, separates Getriebe) zum Vorschein, bestens gehalten und ab und zu mal angelassen, damit sie betriebsfähig blieb. Auch diesmal sprang sie schnell an, denn sie hatte Magnetzündung und brauchte keine geladene Batterie. Der Sound dieser alten Einzylindermaschine war hinreißend, aber noch schöner eigentlich ihr Outfit mit dem verchromten Tank, mit dem im roten Feld eingelassenen Tacho samt Tageskilometerzähler, der Steckleuchte aus Messing und dem riesengroßen Scheinwerfer.

Mein Nachbar hatte dieses Motorrad in jungen Jahren, nämlich 1938, fast neu beim „Haberl“ in München gekauft. Er war damals gerade selbstverdienender Schreinergeselle geworden und stieg mit dieser Erwerbung zum kleinen König von Marquartstein im Chiemgau auf, wo er schon damals lebte, wie ich später auch. Keine der Dorfschönen in jenen Jahren wird es wohl ausgeschlagen haben, mit ihm eine Runde zu drehen und manche davon - inzwischen gestandene Ehefrauen in Marquartsteiner Familien - würden sich daran mit einem Lächeln erinnern.

Als der Krieg kam, gelang es dem Schreiner Gabriel, sein Motorrad - in alle Einzelteile zerlegt - verschwinden zu lassen, um es den Sequestern zu entziehen. Die Reifen beispielsweise hatte er zwischen den doppelt vernagelten Brettern einer Schuppenwand versteckt. Nach dem Krieg war dieses wunderbare Motorrad dann noch mehr wert als vorher! Er baute es wieder zusammen und fuhr es bis zum Anfang der 60er Jahre, nicht nur zur Arbeit, sondern gelegentlich auch weitere Touren . Besonders gern erinnerte er sich an die Katschberg-Rennen jener Jahre, an denen er teilnahm, und auch daran, daß man ihm beste Grundstücke zum Tausch angeboten hatte, erhebliche Vermögenswerte heute. Er blieb standhaft und doch kam die Zeit, in der er langsam Abschied nehmen mußte von der Motorradlerei. So meldete er die Maschine schließlich ab, bockte sie bei sich im Schuppen auf und pflegte sie.

Mehr als eine Ehre für mich war es deshalb, daß ich diese Maschine für ganze 400,-- DM
( damals schmerzlich viel Geld, aber dennoch kein wirklicher Preis für dieses Prachtstück ) übernehmen konnte, sozusagen von Haus zu Haus. Ich meldete sie sofort wieder an und fuhr sie bis etwa 1969. Das mit dem Fahren allerdings erwies sich als überraschungsreiche Mechaniker-Aufgabe, denn die Maschine hatte immer irgendwelche Problemchen. Die freilich übten und sie brachten Kontakt zu Leuten, die früher einmal so eine Maschine gefahren hatten oder sich sonst damit auskannten.

Dabei spielte eine gewisse Rolle, daß die RH 500 einen in der Motorradgeschichte recht prominenten, größeren Bruder hatte, nämlich die ARIEL SQUARE FOUR, ein Monstrum für damalige Verhältnisse mit vier quadratisch angeordneten Zylindern, luftgekühlt. Das machte damals viel Eindruck, die Square Four erwies sich aber als nicht sehr „standfest“, weil sie ständig thermische Probleme bei den hinteren Zylindern hatte. Sie konnten letztlich nicht gelöst werden, dennoch blieb die Maschine in aller Munde. So kam es, daß ich beim Namen ARIEL überraschende Hilfsbereitschaft auftat, wenn ich irgend etwas brauchte, was es schon lange nicht mehr gab, z.B. bestimmte Stahlblech-Halterungen oder auch aus Rohmaterial maßgestanzte Zylinderkopfdichtungen.

Das Hauptproblem dieser Maschine waren indessen die Vibrationen, die damals noch nicht beherrscht wurden. Starke Schwingungen lösten auf Dauer so ziemlich alle Verschraubungen, so daß mir während der Fahrt auch schon mal der Vergaser (!) abgefallen ist. Häufig Probleme gab es auch mit der Trockenkupplung, die korkbeschichtet war, und mit dem Kolben, der in dieser Zeit erneuert werden mußte, denn er hatte deutliche Freßspuren. Dazu wurde der Zylinder in einer Münchner Firma neu gehohnt, und es wurde ein neuer Kolben eingepaßt, den ich bei einem Spezialisten in Schottland beschaffen konnte. Dies wiederum brachte mir die Mitgliedschaft ein in einem britischen Sammlerclub für historische Motorräder , dem „Collectors’ Club for Historical Motorcycles“. Er gab in gewissen Abständen einen Clubbrief heraus, der allerlei Ersatzteillisten und Restaurierungstricks verbreitete.

Das Fahrvergnügen mit dieser Maschine war von besonderer Art. Als englische Konstruktion wurde sie rechts geschaltet ( Fußschaltung ) und hatte so ihre Allüren. Sie besaß beispielsweise noch eine Hand-Verstellung des Zündzeitpunktes, was beim Antreten wichtig war und auch bei bestimmten Lastfahrten am Berg. Die Federung über eine Webb-Gabel vorne war notwendigerweise spartanisch und nicht sehr spurgenau, zumal die Reibungsstoßdämpfer die Schwingung des Federweges zusätzlich minderten. Hinten war die Maschine überhaupt nicht gefedert, so daß bei schlechterer Wegstrecke nicht wenig davon auf den Rücken des Fahrers durchschlug. Aber gerade im unteren Drehzahlbereich fuhr sie kraftvoll und zügig, höhere Drehzahlen mochte sie als Langhuber ohnedies nicht. Ich habe die Maschine fast nur solo gefahren, die hochgezogenen Auspufftöpfe ließen kaum eine andere Möglichkeit . Denn die Gefahr für Beifahrer, sich zu verbrennen, war absehbar groß.

1969 bekam die ARIEL eine recht moderne Nachfolgerin, nämlich eine BMW R 60/2, damals in der motorradarmen Zeit ein ausgesprochenes Spitzenmodell. Die ARIEL wurde also wieder in den Ruhestand versetzt und sollte dafür später einmal im häuslichen Reich ihren würdigen Platz bekommen. Das freilich wollte sich dann doch nicht einstellen. Ich wechselte schon 1970/71 beruflich nach Bonn. Die Maschine blieb in Marquartstein eingestellt, derweil verschlechterten sich die Standbedingungen dort erheblich, sie mußte schließlich sogar draußen überwintern, und das tat ihr nicht gut.

So kam es 1973 zur Schenkung an das Deutsche Museum. Etwa 12 Jahre später konnte die ARIEL in der neugestalteten Kraftfahrzeugabteilung ausgestellt werden. Das Deutsche Museum hatte sie inzwischen schön hergerichtet und ihr sogar neue, originale Auspufftöpfe verpaßt, die in meiner Zeit leider durchgerostet und durch fremde ersetzt worden waren, um eine Wiederzulassung überhaupt zu ermöglichen.

Es freut mich deshalb heute wie damals, daß die ARIEL RH 500 nicht namenlos irgendwo verkommen und schließlich auf dem Schrott gelandet ist, sondern ihren würdigen Platz im Deutschen Museum in München gefunden hat. Sie ist in jeder Hinsicht ein Klassiker, in technischer Konzeption und auch im Design. Sie hat einen jungen und sehr tüchtigen Schreinergesellen aus Marquartstein zum kleinen Star gemacht und später einem Motorrad- und Handwerksfreund, der in der Hauptsache allerdings in München Volkswirtschaft zu studieren hatte, die Ehre angetan, sie noch ein wenig fahren zu dürfen. Und wenn sie mochte, dann hat sie auch recht brav größere Touren durchgestanden, z.B. über die Deutsche Alpenstraße bis hin zum Watzmann und sogar den Glocknerpaß hinauf.

(aufgeschrieben vor ziemlich genau zehn Jahren in Köln, aber ein bisschen Nostalgie muss halt auch sein)

Donnerstag, 8. Februar 2007

Stärke.

Des Menschen bester Freund ist bekanntlich nicht der Mensch, es ist ein Vierbeiner. So gesehen könnte sich der Mensch herzlich freuen, wenn er auf den Hund kommt. Das aber wäre leider kein wirklich erstrebenswerter Zustand, unsere Sprache will es so.

Überhaupt, den Hunden als der Menschen beste Freunde bürden wir, sprachlich betrachtet, viel auf. Wir sprechen von Hundewetter, beschimpfen jemand als Hundesohn oder leiden wie ein Hund. Ist es brüllend heiß, dann sprechen wir von Hundstagen, sinkt das Thermometer um sagen wir 40°, dann wäre das wahre Hundskälte.

Seltsam ergangen ist es auch dem Schweinehund. In alten Zeiten hieß er noch Sauhund (nicht zu verwechseln mit dem zweibeinigen heute) und wurde bei der Wildschweinjagd eingesetzt mit all seinen Tugenden, die ihn auszeichneten: Ausdauer, Kampfesmut und erbarmungsloses Hetzen. Dieser Schweinehund meliorierte dann aber, wie die Linguisten es so schön analysieren (genauso übrigens auch beim Kultbegriff geil). Denn als innerer Schweinehund steht er heute für das glatte Gegenteil, für Entscheidungsschwäche, Motivationsarmut und auch die Bereitschaft zum kläglichen Rückfall.

So gesehen wäre der innere Schweinehund nur bei großzügiger Auslegung ein echter Menschenfreund. Immerhin erklärt er manchen Umsatzpunkt im Einzelhandel, wann immer Menschen schwach geworden sind. Sie alle halten es mit dem großen Moralisten und Spötter Francois de La Rochefoucauld (1613 – 1680), dem die Selbsterkenntnis zugeschrieben wird: Wenn wir unsere Leidenschaften unterdrücken, dann geschieht dies nicht aus Stärke, sondern aus Schwäche …. .

Der dicke Hund in uns wird dazu verständnisvoll wedeln.

Donnerstag, 1. Februar 2007

Limbisch.


Zwei Prozent der Körpermasse macht es aus, verbraucht aber zwanzig Prozent unserer täglich aufgenommenen Energie. Die Rede ist von unserem Menschendurchschnittsgehirn, bei Lesern dieses Textes schaut’s vielleicht etwas günstiger aus. Wie auch immer.

Hirnforscher haben das offen gelegt, kurzum, sie haben ihr Hirn eingesetzt, um dessen soziobiologische Prozesse herauszufinden. Und was ist das Ergebnis? Unser Hirn ist lernfähig, aber nicht belehrbar. Ahnten wir es doch, zumal uns das bei unseren Mitmenschen gelegentlich schon aufgefallen war. Schuld ist das Limbische System.

Über den Lernerfolg entscheiden danach nicht die Intentionen des Be-Lehrenden, sondern gewisse biologische Strukturen in unserem Hirn mit dem oben genannten schönen Namen. Die legen leider vorher(!) schon fest, ob sich hirnenergetische Anstrengungen überhaupt lohnen, und sind bewusstseinsmäßig gar nicht zugänglich. Schlecht also für Lehrer und Schüler gleichermaßen, wenn sich da was sperrt. Und wenn das Limbische nicht mitspielt, bekommt man z. B. Schwierigkeiten mit Mathe, Führerscheinprüfung oder Mittelhochdeutsch.

Wo genau diese Schwierigkeiten abgesteckt sind, werden wir bei uns selbst allerdings erst am Ende unserer Tage einigermaßen erprobt haben. Denn vor den Erfolg haben die Götter bekanntlich den Fleiß gesetzt. Üben, üben, üben heißt es also und dabei vielleicht die wunderbare Entdeckung machen, dass Musik, Metallhandwerk oder Geschichte eine großartige Spazierlandschaft sind.

Manches freilich bleibt rätselhaft von Anfang an: Etwa ein aktuelles Plakat im Kölner Stadtgebiet, das ein zerknautschtes Auto unter der Headline „hirnverbrannte Pissfletsche“ zeigt. Absender ist eine geheimnisvolle Aha.de, die wir offenbar anklicken sollen.

Aha, denken wir also folgsam, und werden es nicht tun. Unser limbisches System hat erbarmungslos den Daumen gesenkt.

(Nachbemerkung: die Anregung zu diesem Text kam von einem sehr lesenswerten Beitrag zur Soziobiologie in der FAZ vom 31.1.07, dessen Autor, Eckart Voland, daraus manche Formulierung - ohne gefragt zu sein - beigesteuert hat)