Donnerstag, 7. Juni 2007

Weichmacher.

Vielleicht haben Psychologen eine Antwort darauf, was die Linguisten als akribische Wortstatistiker zwar beschäftigt, aber offenbar nicht weiter aufregt. Gemeint ist die eigentümliche Fähigkeit der Menschen, die Bedeutung ihrer Sprache möglichst kantenfrei zu deformieren, wo immer unsere Begriffe noch Stärke und Kontur zeigen. Nein, ganz so klar und eindeutig wollen wir es ja gar nicht, sprachliche Weichmacher müssen her. Wir mogeln lieber ein bisschen oder verniedlichen - uns zuliebe.

Der schwere Einbruchdiebstahl beispielsweise, der unbescholtenen Bürgern täglich das bisweilen sehr teure Auto kostet, ist in unseren Medien eigentlich nur noch unter dem Sportsbegriff „geklaut“ nachzulesen, und auch hier denkt sicher niemand mehr an die hässliche, rohe Klaue, die dreist und gewaltsam packt und stiehlt.

Geil und gierig, das waren sprachlich mal nahe Verwandten, unappetitlich allemal. Auch das haben wir inzwischen glatt gebügelt und singen heute gerne von einer „ super geilen Zick“ (für Nicht-Kölner: Zick gleich Zeit), der Rechner übrigens, auf dem gerade dieser Text entsteht, ist in der Sprache der Jüngeren ein geiles Teil, weil er sehr schick ausschaut.

Den Linguisten nötigt das bestenfalls ein Achselzucken ab, wissen sie doch besser als andere, dass sich Sprache ständig verändert, gestorben und geboren wird sozusagen täglich. Aber der Positionskraft der Sprache hilft das kaum auf. Schaumgebremst und weichgemacht lassen wir sie plätschern, schrecken nicht mehr auf, wenn der Sache nach Unerhörtes zu sagen wäre. Selbstmordattentäter sind eben nur unbegreifliche, ja tragische Solitäre, die ihrem jungen Leben ein Ende setzen mit - sprachlich eher beiläufig - entsetzlichen Folgen für viele Unschuldige. Allem vorweg sind es also Massenkiller, deren Beweggründe sie schwerlich adelt.

Ein sprachliches Sonderrecht haben auch die Lustschläger, die sogar lange Strecken mit ihrem Werkzeug anreisen, um sich blutig mit der Polizei prügeln zu können. Vor allem, wenn Kameras mit dabei sind. Wir nennen sie brav Autonome, und sie nennen sich höhnisch selbst so. Im 19. Jahrhundert galt das noch als „gelehrte Entlehnung“ aus dem Griechischen.

Merke: Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen, so Ludwig Wittgenstein in seinem berühmten Tractatus. Oder simpler ausgedrückt, ein Gedanke, eine Position ist immer nur so eindeutig, wie wir es sprachlich fassen - wollen.

Rausreden gilt nicht.