Montag, 16. Juli 2007

Hallo.



Was haben wir nur für ein Kreuz mit der Anrede unsere Mitmenschen, wenn wir sie nicht kennen! Und wir kennen bekanntlich die meisten nicht! Folglich können wir keine Namen rufen, um den Start zu eben. Und auch dann gäbe es Schwierigkeiten, denn wir müssten vorher genau wissen, ob es der Vorname sein darf oder eine eher förmliche Anrede.

Es gibt ungezählte, alltägliche Situationen, in denen dieses leidige Problem auftaucht. Im Lokal etwa: wie reden wir die meist schlecht bezahlte Kraft an, die uns bedient. Ist es eine Frau, gar im fortgeschrittenen Alter, brüllen wir „Fräulein“, bei Männern sagen wir „Herr Ober“, Frau Oberin geht aus ganz anderen Gründen leider nicht.

Und so führen wir uns in irgendwelchen Grimassierungen auf, winken heftig und sagen dann verlegen ein gedehntes „Aäh“ zum Start, ein grundloses „Entschuldigung“ oder „darf ich mal kurz stören“.

Nichts ist eigentlich lächerlicher. Aber unsere Sprache sieht nun mal keine allgemein gültigen Anredeformen vor. Die alten Lateiner hatten wenigstens noch ihren Vokativ, und die Franzosen ihr Madame oder Monsieur.

In diese Lücke hat sich im Deutschen heutzutage ein Allzweck-Hallo eingenistet. Zieht also jemand an dir vorbei, schlurfend, in Gedanken ganz anderswo und schaut unbeabsichtigt rüber, sagt er mechanisch ein tonloses „Hallo“. Am Telefon ist das ohnedies die feste Eröffnungsformel, ab und zu noch verdrängt durch ein muffiges „Ja bitte“ oder barsches „Ja“.

Kurzum, wir haben da ein echtes Miteinander-Problem. Sprache soll ja bekanntlich Kommunikation herstellen. Im Schwierigsten, in der Anrede sind wir aber immer noch in der Steinzeit. Und so gerät Kommunikation oft zum Monolog, zum Selbstgespräch. Weil uns das Türöffnen zum andern schon sprachlich so ungeheuer schwer fällt.

Wen wundert’s: Während diese Zeilen entstehen, zieht draußen vor der Tür wirklich ein Mensch vorbei, laut palavernd. Er hat mit verrenkter Haltung ein Handy an sein Schief-Ohr geklemmt und spricht sehr laut mit irgend jemand. Er scheint glücklich.

Denn sein Eröffnungs-Hallo hat geklappt. Und wie! Fast könnte man sagen "aber hallo"!

1 Kommentar:

Fritz Jörn (Fritz@Joern.De) hat gesagt…

Grüß Gott, Henning! Meine Verehrung! – nur um dein »Hallo« zu variieren. Henning, wir sind doch in einer neuen Zeit. Da muss es schnell gehen. Wir winken uns zu, meistens nur. Weg isser schon wieder, der – ja, wer war das denn wieder? – »Wir telefonieren!«
Also im Ernst: Nehmen wir an, dir begegnet eine Mutter, die du als Mitschüler(in?)mutter aus der Klasse deiner Tochter so halb kennst. (Du merkst, der Fall ist autobiographisch.) Du hast natürlich keine Ahnung, wie die Frau heißt. Eltern heißen heutzutage sonstwie, vielleicht Rappaport-Porada, na ja, so nicht gerade, doch jedenfalls nicht wie ihre Kinder oder wie ihr aktueller Partner. Außerdem sprechen sich Mütter post 68er solidarisch per du an, meist mit Sylvia. Jedenfalls willst du die gute Frau en passant grüßen. Was sagst du da? Früher, da hättest du den Hut gezogen und »Guten Tag, gnädige Frau!« gesagt, und alles wäre comme il faut gewesen. Heute sagst du »Guten Morgen!« und versuchst das freundlich zu betonen, was aber nicht geht. Schon zu Mittag hört sich der Morgen von selbst auf. »Guten Mittag!« kannst nicht mehr rufen. Ab dann ist Sense für alles mit »Guten ...«. Also sagst du doch »Hallo!«. Hallo ist super. Es ist zweisilbig, kann damit (im Gegensatz zum amerikanischen Hi) auf- oder absteigend betont werden; das O lässt unendlich viele melodiöse Varianten zu.
»Grüß Gott!«, auch mit o, ist nördlich des Weißwurstäquators unüblich und setzt dich der Gefahr aus, dass dir geantwortet wird: »Ja, wenn du ihn triffst!«. Ist mir einmal in der DDR passiert.
Beispiel zwei: Es klingelt. Du rennst zur Haussprechanlage. Und was sagst du jetzt? »Henning hier!«? Das will der UPS-Mann gar nicht wissen. Auch »Hoppla« klingt schlecht, schlechter als ein »Gesundheit!« auf einen Nieser. »Wer ist da?«, was dich eigentlich interessiert, das ist zu viel. »Ja bitte?« ginge auch, ist aber eine Spur aufdringlich. Also bleibt »Hallo!«, immer wieder Hallo. Super.
PS: Die Amerikaner, die in Bezug auf grammatikalische Verkürzungen am weitesten fortgeschrittene Nation, lassen inzwischen in E-Mails das Füllwort vor dem Namen ganz weg, beginnen direkt mit »Bob:«. Nur wenn sie gar nicht wissen, ob sie nun mit Bob, Linda oder sonst einem ihnen namentlich Bekannten korrespondieren, setzen sie, wenn formlos, »Hi« in die erste Zeile. Grausig ist das.